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Ein gesellschaftlicher Skandal

Bericht am 13. Februar 2017

Sozialverträglich und nachhaltig Filme machen. Dieses Thema hat sich Crew United für eine Podiumsdiskussion am 9. Februar 2017 in der Berliner Kulturbrauerei ausgesucht. Die hochkarätig besetzte Gesprächsrunde bringt zentrale Probleme der Kreativbranche in Deutschland auf den Tisch – für Lösungen ist der Weg aber noch weit.

 

Wie wollen wir Filme machen, wie wollen wir leben? Um Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit in der deutschen Filmbranche soll es gehen in der Gesprächsrunde, zu der die Branchenplattform Crew United mit Unterstützung der Pensionskasse Rundfunk am 9. Februar 2017 wenige Stunden vor Eröffnung der Berlinale ins Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei geladen hat. Den unbequemen Fragen des Moderators und Filmkritikers Rüdiger Suchsland stellen sich namhafte Gäste aus Politik, Wissenschaft, Film und Fernsehen: Burkhard Blienert, Mitglied des Bundestags und filmpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion; Klaus Lederer (Die Linke), Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa des Landes Berlin; Christine Berg, stellvertretender Vorstand der Filmförderungsanstalt; Ursula von Keitz, Professorin an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ und Leiterin des Filmmuseums Potsdam; Lisa Marie Basten, Autorin und Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Arbeitswelt in der Kreativbranche; Sol Bondy, Filmproduzent und Mitgründer der One Two Films GmbH; sowie Andreas Schreitmüller, Leiter der Hauptredaktion Spielfilm und Fernsehfilm bei Arte.

Der Ausgangspunkt: die „desolate“ Lage der Filmschaffenden hierzulande, die Unterfinanzierung der Filmprojekte, die Abhängigkeit von TV-Sendern und Fördereinrichtungen, die ausbleibenden Erlöse, die fehlende Absicherung. Oder noch konkreter: Was muss sich ändern, damit nicht nur zwei von fünf Filmschaffenden von ihrem Beruf leben und optimistisch in die Zukunft blicken können? Wer ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und neue Wege zu beschreiten? Und was bringt es tatsächlich, wenn im neuen Filmförderungsgesetz erstmals von Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit die Rede ist und etwa der Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Berliner Regierung hier ähnliche Akzente setzt?

Bei einer etwas mehr als einstündigen Diskussionsveranstaltung mit sieben Gästen kann es in weiten Teilen um nicht mehr als Positionsbestimmungen gehen: Klaus Lederer unterstreicht, dass Kunst und Kultur nicht dem Markt unterworfen sein dürften und die dortige Arbeit mehr Wertschätzung erfahren müsse, weshalb er sich für eine nachhaltige Filmproduktion einsetze und auch die Töpfe des Medienboard Berlin-Brandenburg aufgestockt habe. Lisa Marie Basten schlägt in die gleiche Kerbe, sieht einen Zusammenhang zwischen Kreativarbeit und Selbstausbeutung und moniert, dass Gewerkschaften auf Augenhöhe fehlten. Sol Bondy bestätigt die „traurige Wahrheit“, dass auch er den Mindestlohn oftmals nicht bezahlen könne, doch sei man als Produzent oftmals ebenso Leidtragender. Und Ursula von Keitz berichtet von einer „großen Unruhe“, von der die Bachelor- und Master-Studierenden der Filmuniversität ergriffen seien, verbunden mit der Forderung, gerade dem Nachwuchs „mehr Freiheit“ und „mehr Luft“ zu geben. Burkhard Blienert erklärt darauf, er habe große Hoffnung, dass der Mindestlohn auch in der Kreativ- und Kulturwirtschaft greifen werde. Die SPD habe die Probleme erkannt und werde den Prekär-Beschäftigten in allen Branchen helfen. Christine Berg verweist auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes, mit dem die Politik vorangegangen sei, doch reiche eine Mindestförderquote allein nicht aus, vielmehr sei ein Zusammenspiel aller Verantwortlichen nötig und damit zum Beispiel auch das Fernsehen in der Pflicht. Andreas Schreitmüller gesteht zwar, dass es in den Sendern häufig an einem Bewusstsein für die Produktionsbedingungen von Filmen fehle, bei Auftragsarbeiten werde aber durchaus über Sozialverträglichkeit nachgedacht. Letztlich, gibt er zu bedenken, könne der Klage über zu wenig Drehzeit und zu geringes Budget nur mit einer Konzentration auf weniger Produktionen begegnet werden.

Während in der Folge der durchaus hitzig geführten Debatte weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass die gegenwärtigen Erwerbsstrukturen in der Filmbranche kein Luxusproblem seien und man aktiv werden müsse angesichts eines solchen „gesellschaftlichen Skandals“ (Lederer), wird dieser letztgenannte Punkt (weniger, dafür finanziell besser ausgestattete Filme) immer wieder hervorgeholt, auch wenn er nicht die Zustimmung aller Diskussionspartner findet. Ein Ergebnis der Gesprächsrunde zeichnet sich schließlich dann doch ab: die Forderung, dass Kreativ-, Film- und Fernsehwirtschaft mit einer Stimme sprechen sollen, dass das Verständnis für den Wert kreativer Arbeit gemeinsam nach außen getragen werden muss und dass dafür auch die entsprechenden Verbände und Gewerkschaften zu stärken sind. Für eine solche Bestandsaufnahme und Selbstvergewisserung war das Panel von Crew United bestimmt nützlich. Den Weg von der Bewusstseinwerdung zur praktischen Umsetzung gilt es aber natürlich erst noch zu beschreiten.

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