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Ein oder zwei Schüsse, um aufzufallen

Bericht am 19. Februar 2017

In der Berlinale-Reihe „Made in Germany – Reden über Film“ diskutiert Linda Söffker, Leiterin der Sektion Perspektive Deutsches Kino, am 17. Februar 2017 mit Nachwuchsregisseur Julian Radlmaier, Produzent Kirill Krasovskiy und Branchenkenner Martin Hagemann über die Förderung von Abschlussfilmen und darüber, wie Filmstudenten der Sprung in den Risikoberuf gelingt.

 

Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes ist der durch das Programm Leuchtstoff geförderte Abschluss von Regiestudent Julian Radlmaier an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Der Film feierte Weltpremiere auf dem International Film Festival in Rotterdam und wird nun in der Sektion Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale präsentiert. Ein typischer Fall, wie die Leiterin der Sektion, Linda Söffker, als Moderatorin der Diskussionsveranstaltung „Made in Germany – Reden über Film“ am 17. Februar 2017 in der Audi-Lounge gleich neben dem Roten Teppich erklärt, schließlich bestehe die diesjährige Filmauswahl der Perspektive ausschließlich aus studentischen Abschlussarbeiten, die oftmals auch mithilfe von Fördergeldern realisiert worden seien. Grund genug, um mit Radlmaier und dem (ebenfalls jungen) Produzenten seines Films, Kirill Krasovskiy, sowie mit Martin Hagemann, Geschäftsfüher von zero fiction film und Professor an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“, über den Ertrag der Förderung von Abschlussfilmen zu sprechen.

Der Tenor der ersten Hälfte der einstündigen Diskussionsveranstaltung, die größtenteils, so scheint es, ebenfalls von Filmstudenten besucht ist: Förderprogramme wie Leuchtstoff, mit dem das Medienboard Berlin-Brandenburg und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) gemeinsam mit der dffb und der Filmuniversität Babelsberg seit 2013 Abschlussfilme junger Nachwuchsfilmemacher aus der Region finanziell unterstützt, sind eine hervorragende Sache. Sie seien für Regisseure attraktiv, weil sie die künstlerische Freiheit nicht einschränkten und es andernfalls Filme „im Grenzbereich“ nicht gäbe (Julian Radlmaier). Wie im Fall von Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes böten sie dem Produzenten zudem die Chance, das Team überhaupt zu bezahlen und das Projekt trotz Risiko zu „überstehen“ (Kirill Krasovskiy). Allgemeiner formuliert ermöglichten sie die Realisieung von Abschlussfilmen „im geschützten Raum der Filmhochschule“, ohne jedoch auf externe Partner (die Echtbedingungen der Filmpoduktion) zu verzichten (Martin Hagemann).

Mehr Zündstoff beinhaltet die Frage, wie sich Nachwuchsfilmemacher mit dem Abschlussfilm positionieren können, denn, so Martin Hagemann, „man hat einen oder zwei Schüsse, um aufzufallen“. Der Hochschullehrer und langjähige Branchenkenner rät dazu, sich schon bei der Planung des Films über die Platzierung Gedanken zu machen, und plädiert dafür, ein kürzeres Format nicht von vornherein auszuschließen. Ein in zehn Tagen gedrehter Teaser, bei dem genügend Zeit für Details sei, könne auch der ideale Abschlussfilm sein, mit dem man sich dann erfolgreich an die Redaktionen wende und das darauf aufbauende Debüt in Angriff nehme. Während sich Julian Radlmaier über das Programm Leuchtstoff hinaus „Vertrauen für den Nachwuchs“ wünscht, wartet Kirill Krasovskiy mit einem ganz neuen Vorschlag auf: Jeder Filmstudent solle einen Langfilm machen dürfen, der eine automatische Förderung erhalte und dann auf den entsprechenden Plattformen (etwa in der Perspektive Deutsches Kino) gezeigt werde. Aber lässt sich so Geld verdienen, wenn jährlich 70 Absolventen ihren Abschlussfilm ins Rennen schicken? Linda Söffker bezweifelt den Sinn dieser Maßnahme (zumal das den Rahmen ihrer Berlinale-Sektion sprengen würde) und auch die im Publikum sitzende Andrea Hohnen, Programmleiterin des deutschen Nachwuchspreises First Steps, fordert eher ein Nachdenken darüber, wie mittellangen (Abschluss-)Filmen eine größere öffentliche Wahrnehmung zuteil werden könne. Nun, vielleicht werden sich ja schon bald zumindest die Verhandlungen über die Lizenzrechte lukrativer führen lassen. Martin Hagemann bringt den Akteur Netflix ins Spiel und berichtet, dieser habe jüngst ein Paket mit sechs deutschen Nachwuchsfilmen à 200.000 Euro gekauft. Der Markt sei dabei, sich zu öffnen, und es bestehe die berechtigte Hoffnung, dass es künftig auch im deutschen Fernsehen wieder besser bezahlte Sendeplätze für Spiel- und Dokumentarfilme unterschiedlicher Länge geben werde. Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes hat über Leuchtstoff immerhin 30.000 Euro vom RBB bekommen.

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